Ob Jahrmarkt, Museum, Tierpark, Kino, Festival, Schwimmbad oder Zirkus - Deutschland schöpft die steuerrechtlichen Möglichkeiten der EU bei Eintrittsberechtigungen für Freizeitangebote aus - zumindest fast. Während auf die Eintrittsentgelte aller zuvor genannten Einrichtungen ein ermäßigter Umsatzsteuersatz erhoben wird oder sie gänzlich davon befreit sind, werden einzig Vergnügungsparks mit dem Regelsatz von 19% besteuert.
Für den Verband Deutscher Freizeitparks und Freizeitunternehmen e.V. (VDFU) ist die uneinheitliche Regelung nicht nachvollziehbar. Verschiedene Arten von Freizeiteinrichtungen stehen in direktem Wettbewerb um Besucher*innen zueinander und sind nicht immer eindeutig voneinander abgrenzbar. Zielgruppen wie auch die Angebote überschneiden sich. Dennoch gelten für die Marktteilnehmer unterschiedliche Regeln. Dabei steht der Gesetzgeber in der Pflicht, Rahmenbedingungen nicht zulasten einzelner Wettbewerber zu verschlechtern.
„Freizeitangebote sind ein Ventil zur Auflösung sozialer Spannungen und wichtiger Bestandteil sozialer Teilhabe. Vergnügungsparks in Deutschland haben ihre hohe gesellschaftliche Relevanz und wirtschaftliche Bedeutung unlängst unter Beweis gestellt. Sie erfüllen alle Anforderungen zur Anwendung reduzierten Umsatzsteuer und verdienen faire Wettbewerbsbedingungen.“
Jürgen Gevers, Geschäftsführer VDFU e.V.
Ein fairer und freier Wettbewerb zählt zu den ordnungspolitischen Grundsätzen in Deutschland -das Fundament der sozialen Marktwirtschaft. Chancengleichheit am Markt führt zu einem Leistungswettbewerb, von dem vor allem Verbraucher*innen profitieren. Laut Bundeswirtschaftsministerium eine wesentliche Voraussetzung für Wohlstand, Wachstum und Beschäftigung in Deutschland.
Reduzierte Umsatzsteuersätze sollen beim Erwerb gesellschaftlich relevanter Güter- und Dienstleistungen entlasten – und zwar nicht die Betriebe. Die Umsatzsteuer ist eine indirekte Steuer und wird von Verbraucher*innen gezahlt. Die Europäische Union macht die soziale Entlastung der Verbraucher*innen sogar zur grundlegenden Voraussetzung für die Anwendung reduzierter Umsatzsteuersätze.
„(…) Steuerbefreiungen und -ermäßigungen müssen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sein und dürfen nur aus genau definierten sozialen Gründen und zugunsten des Endverbrauchers erlassen worden sein.“
Art. 110, Richtlinie 2006/112/ EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
Die Umsatzsteuer bietet sich als Instrument zur Entlastung der Verbraucher*innen an, denn gemessen am Einkommen ist sie regressiv. Sie richtet sich nicht nach individueller Leistungsfähigkeit. Jeder zahlt sie in gleicher Höhe. Wer über ein geringes Einkommen verfügt, ist überproportional von der Umsatzsteuer betroffen. Gleiches gilt für die Entlastung.
Laut Bericht des Bundesfamilienministeriums sind gerade Familien mit Kindern von sinkenden Reallöhnen, zunehmenden Kostendruck und steigender Inflation im besonderen Maße betroffen. Für die Hauptzielgruppe von Freizeiteinrichtungen wäre eine reduzierte Umsatzsteuer eine spürbare Entlastung.
Soziale Teilhabe an Freizeitangeboten darf nicht zur wirtschaftlichen Frage werden. Gerade in geopolitisch und wirtschaftlich krisenbelasteten Zeiten ist es bedeutsam, dass Menschen vor Ort oder in der Region bezahlbare und attraktive Freizeitangebote vorfinden. Gemeinsame Erlebnisse und Erholung durch inländische Angebote bieten eine echte Alternative zum kostspieligen und emissionsstarken Kurzurlaub im Ausland.
Auch im internationalen Wettbewerb werden deutsche Vergnügungsparks und Freizeitunternehmen steuerlich benachteiligt. Nachbarländer gewähren ihren Vergnügungsparks ermäßigte Umsatzsteuersätze auf Eintrittsentgelte. Dieser signifikante Standortnachteil bremst nicht nur Besucherentwicklung und Zukunftsperspektiven.
Aufgrund der deutlich höheren Steuerlast in Deutschland investieren Betreiber internationaler Unternehmensgruppen bevorzugt in bestehende Standorte außerhalb der Bundesrepublik oder eröffnen neue Einrichtungen im grenznahen Ausland. Vergnügungsparks in Deutschland drohen bei Innovationskraft, Produktneuerungen und Angebotsvielfalt den Anschluss zu verlieren.
„Vergnügungsparks erfahren steuerliche Ungleichbehandlung auf nationaler und internationaler Ebene. Sozioökonomische Bedeutung und Wettbewerbsfähigkeit sind gefährdet. Leidtragende sind der Wirtschaftsstandort Deutschland und nicht zuletzt die Besucher*innen wie auch Beschäftigte.“
Friedhelm Freiherr von Landsberg-Velen, Präsident VDFU e.V.
Mit der Kampagne „DIE FAIRE SIEBEN“ möchte der VDFU die steuerliche Ungleichbehandlung auflösen. Die Anwendung des reduzierten Umsatzsteuersatzes auf Eintrittsentgelte aller touristischen Freizeitangebote stellt internationale Konkurrenzfähigkeit und fairen inländischen Wettbewerb sicher. Sie entlastet niedrige und mittlere Einkommensschichten und senkt den bürokratischen Aufwand.